Der IAG Nachgerufenes


Die "Septembergruppe" 1998 in Linden/Bayern

IAG Nachruf

von Gunthard Weber

Man hat mich schon vor einiger Zeit gebeten, der IAG noch etwas nachzurufen oder nachzutragen. „Machs gut!“ kann ich schlecht rufen, weil es sie nicht mehr gibt. „Ruhe in Frieden!“ vielleicht. Aber wer würde das noch hören? Vielleicht eher ein Nachfragen „Bist Du gut auf- oder untergegangen? Und ein Nachwinken „War sie nicht schön, diese Indianerdemokratie?!“

Hat es überhaupt jemand gemerkt, das stille Ende der IAG (der Internationalen Arbeitsgemeinschaft systemische Lösungen nach Bert Hellinger e.V.) die als DGfS/IAG noch eine Weile Huckepack als Anhängsel an der DGfS (Deutsche Gesellschaft für Systemaufstellungen e.V.) existierte? Nun ist sie inzwischen auch dort als Anhängsel sang- und klanglos ohne Pauken und Trompeten und angenehm unsentimental abgefallen wie altes Laub, das kompostiert und das Zukünftige düngt. Keine Sterbehilfe, keine nachgeweinte Träne bei einer Beerdigung. In Wiesloch, dort wo die IAG  als Verein eingetragen wurde und wo zwischen 1997 und 2001 in ihrem Namen fünf große und kleinere Tagungen stattfanden, habe ich der IAG vor ein paar Jahren zur Erinnerung einen Birnbaum gepflanzt. Noch kann ich nicht sagen: „Der Baum trägt reiche Frucht.“, aber er wächst und es wird ihn sicherlich noch lange geben. Kommt doch im Spätsommer mal zur Birnenzeit vorbei!

Dass dann auch das „nach Bert Hellinger“ entfernt wurde, lag wohl daran, dass sich Bert der IAG gegenüber schon lange sehr ambivalent zeigte und dass die DGfS ein größeres Dach für unterschiedliche Ansätze der Aufstellungsarbeit werden soll. Ich erinnere mich noch an das, was Bert 1993 einmal zu mir sagte, als ich nach einem geeigneten Titel und Untertitel für „Zweierlei Glück“ suchte. „Es schwächt psychotherapeutische Ansätze, wenn man sie nach ihren Gründern benennt.“ Ob er immer noch so denkt? Bert hat sich zunehmend von den Gesellschaften abgewendet, aber viele Aufsteller haben sich auch (oft) opportunistisch von Bert abgewandt. Als das „nach Bert Hellinger“ nicht mehr so schick und lohnend schien, verschwand es auf einmal aus vielen Veranstaltungsankündigungen. Last not least gibt es die „systemischen Lösungen“ auch nicht mehr. Das finde ich als Systemiker aber nicht schlimm, weil mir die Benennung „systemisch“ von den Aufstellern oft inflationär und sinnentstellend benutzt wird.

11 Jahre ist sie alt geworden, die IAG (als eingetragener Verein war sie noch ein Jahr jünger). Ein Teil von ihr, das Internationale, hat jetzt seine Heimat in der ISCA gefunden. Zehnjährige kommen bei uns ja in die höhere Schule. Die bange Frage ist: Wird die ISCA die internationale Aufnahmeprüfung schaffen? Das wünsche ich ihr von Herzen. Der Übergang ist nicht ganz leicht und den Segen Bert und Sophie Hellingers hat auch die ISCA nicht. Mein Eindruck ist immer noch, dass beide das Internationale als die Einflusssphäre der Hellingerschule betrachten und jede Aufstellertätigkeit anderer deutscher TrainerInnen dort von ihnen eher als Einmischung denn als willkommene Unterstützung erleben. Schade, dass sie bisher die Beiträge vieler Anderer zu der so gelungenen weltweiten Entwicklung so wenig schätzen können. In der letzten Zeit scheint sich das jedoch zu ändern.
Die Vorstellung, dass die IAG zwar Ihren Namen hat lassen müssen, aber in einen größeren Fluss gemündet ist und dort im Größeren weiter fließt, ist ein gutes Bild für mich wie es auch eine gutes Bild ist, dass sich im Aufstellungsfeld zwar vielleicht mehrere Flüsse bilden können mit verschiedenen Nebenflüssen. Wenn deren Wasser irgendwann in einem Delta im Meer mündet, kann man dann sowieso nicht mehr entscheiden, welches Wasser woher kommt (Ich war gerade im Amazonasdelta). Die Quelle braucht ebenso wenig nach dem Weg zu fragen wie das Meer nach den Quellen. Vielleicht finden die Ströme ja auch schon vorher wieder zusammen (wenn es denn Ströme werden). Das ist mir eigentlich auch egal. Solange der Wasserpegel so bleibt und der Fluss nicht verschmutzt wird, schwimme ich gerne mit. Hoffnungsvoll stimmt mich, dass es nach vorübergehend trockeneren Zeiten beim Aufstellertreffen im März in Uslar wieder mal kräftig geregnet hat.

Gunthard Weber